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1 - Neuerscheinungen
2 - Interview
3 - Selbstbekenntnis
4 - Pressezitate zu Kinderbüchern
5 - Presseartikel zu Erwachsenenbüchern
6 - Presseartikel über die Moderatorin
7 - Glossen
8 - Kurzgeschichten für Kinder

Gmünder Tagespost

Glossen
(Schwäbisch Gmünd)

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Wetterfühlig (06. Juli 2010)
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Plötzlich schmerzen alte Narben, der Körper juckt, der Kreislauf bricht zusammen: Es gibt viele Beschwerden, die aufs Wetter zurückgeführt werden. Auch da gibt es viele angebliche Ursachen: Kälteeinbruch, Schlecht-Wetter-Periode, oder – wie derzeit – Hitzewelle. Selbst die Wechsel zwischen diesen Extremen tun selten gut. Zwar tun Wissenschaftler das Ganze als Ammenmärchen ab, wie die Abhängigkeit von Mondphasen oder Kaffeesatz. Die Betroffenen, dozieren, die Forscher sorgten durch ihre Einbildung für die Beeinträchigungen, sobald sie von der ihrer Ansicht nach schädlichen Wetterlage hören. Ein wenig Ostwind, sagte einer der Gelehrten, bringe noch keinen um. Wirklich? Da gab es doch auch den Johann Wolfgang von Goethe, hauptberuflich Dichter und im Nebenberuf Wissenschaftler, der sich mit Dingen wie der Farben- oder der Witterungslehre befasste. Von dem Mann, der uns viele unsterbliche Zitate in der deutschen Sprache hinterließ, stammt auch dieses: „Gerade die feinsten Köpfe leiden am meisten unter den schädlichen Wirkungen der Luft.“
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Oben ohne (05. Juni 2010)
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Jeder zweite Mann im fortgeschrittenen Alter kommt ohne Haare daher. Das bringt die Hormonumstellung mit sich. Aber nicht so schlimm. Viele Frauen finden das haarlose männliche Haupt sexy. Das wissen Männer nur zu gut, manche von ihnen scheren sich deshalb den Kopf spiegelglatt. Wie einst Kojak. Flotte Sprüche, schöne Frauen, kahler Kopf. Aber sind Männer mit Glatze auch sinnlich? Ich weiß nicht, irgendwie ist es auch schön, in üppigen Haaren zu wühlen, ohne gleich ein Toupet in der Hand zu halten. Wir haben sie in jedem Fall ins Herz geschlossen, oben mit oder ohne.
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Onkels und Tanten (02. Juni 2010)
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Gibt es etwas Unterschiedlicheres als Onkels und Tanten? Nein, nicht mal schwarz und weiß. Diese Erfahrung haben Sie in Ihrer Familie sicher auch schon gemacht. Wir haben zum Beispiel eine Tante, die seit Jahrzehnten nicht mehr mit uns redet, weil wir ihr einen Todesfall nicht meldeten. Außer dem Vorwurf, wir hätten sie stets nur zur Hundeaufsicht missbraucht, hörten wir seitdem nichts mehr von ihr. Sie sitzt, wenn wir uns sehen, nur noch auf dem Sofa und nimmt übel.
Ein Onkel kann zwar wunderbar Klavier spielen und Balladen singen, als Kind durfte ich sogar seine Notenhefte umblättern. Er redet wenigstens mit uns, aber auch das ist nicht unbedingt ein Vergnügen. Er schimpft nämlich in einem fort auf alles, was uns umgibt: Die Regierung zockt uns ab, die Städte sterben aus, die Bevölkerung wandert ins Ausland ab, weil dort eh alles besser ist ... . Dagegen haben wir auch Onkels und Tanten, mit denen der Kontakt völlig anders ist: Mit denen wir dann und wann gesellig zusammensitzen und Rommé spielen und die uns nicht mal übel nehmen, wenn wir mal gewinnen.
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Klatsch am Abend (04. Mai 2010)
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Sie kennen das: eine Einladung, eine Party und Gespräche, die man so nicht erwartet hat. Klatsch vom Feinsten, wer an Trennung denkt, sich schon getrennt hat, wie der Neue aussieht, ob er jünger oder älter ist. Stoff für einen langen Abend. Was aber, wenn man die „Beklatschten“ gar nicht kennt. Da macht sich eher Langeweile breit. Aber das Fernsehen macht’s ja vor. Klatschexperten, Adelsexperten, sie haben immer häufiger das Wort. Belauern Filmstars und plaudern ohne Ende über vermeintlich wichtige Leute. Aber zurück zur Party: Bei Champagner wird die sechste Scheidung diskutiert, nur die Betroffenen kennt keiner von uns. Schade um die Zeit.
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Der Strohhalm (30. April 2010)
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Ein Requisit seit langer Zeit, weder modern noch altmodisch, weder ganz wichtig noch völlig überflüssig: der Strohhalm. Vor allem Kinder setzen ihn gerne ein, um die Pflicht des Trinkens unterhaltsamer zu gestalten. Aber auch auf Partys Älterer taucht er immer wieder als Deko-Objekt auf. So richtig über ihn – seine Herkunft, seinen Ursprung, seine tiefere Bedeutung – hab ich noch nie nachgedacht. Ist er es, der das Leben im Fluss hält? Hat Sokrates seinen tödlichen Schierlingsbecher womöglich mit einem Strohhalm ausgetrunken? Da wir grade bei Sokrates sind: Für dessen Landsleute, die Griechen, die im Schuldensumpf zu versinken drohen, gewinnt der althergebrachte Gebrauchsgegenstand eine völlig neue Bedeutung. Die greifen nun wirklich nach jedem dieser Halme, der sich ihnen bietet.
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Mal ehrlich... (26. April 2010)
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Der Mensch, so wird erzählt, lügt am Tag bis zu hundert Mal. Fragt sich nur, was man unter Lüge versteht. Zählt Schönreden schon dazu? Wenn Ja, könnte die Behauptung sogar stimmen. Man begegnet seinem Nachbarn und wünscht ihm „alles Gute“, in Wahrheit würde man ihm aber etwas anderes sagen wollen. Ein Anderer lobt seine Frau für den guten Geschmack, den sie mit dem Kauf des neuen Kleids bewiesen habe. Er sagt nicht, dass es die passende Größe wohl nicht gegeben hat. Auch bei anderen Komplimenten nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau. Oder sagt irgendjemand, ´Sie sehen aber heute bescheuert aus?´ In der Politik ist es nicht anders. Wenn Kandidaten immer die Wahrheit sagen würde, niemand würde sie wählen. So mogeln sich viele durchs Leben. Ganz nach dem Motto: „Die Lüge hat ein buntes Kleid, die Wahrheit geht in Grau“. Grau ist vielleicht elegant, die Natur ist bunt.
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Nüchtern überlegt (22. April 2010)
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Beim Aufstehen morgens fühlen Sie die Speckröllchen unterm Schlafanzug und denken sofort an Jürgen von der Lippes Songtitel: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da?“. Im Radio, das Sie zum Aufwachen einschalten, gibt’s Tipps zur Bikini-Figur. Vielleicht muss man doch ernsthafter über die Möglichkeiten nachdenken: Frühstück ausfallen lassen, stattdessen höchstens ein Glas ungesüßten Saft. Damit wäre ein Anfang beim Kaloriensparen gemacht. Und wo gehen die meisten verloren: eine Stunde Radfahren oder zwei Stunden trimmen, auch Turnen soll nützlich sein, aber in Maßen. Bei den Maßen helfen Messgeräte für Puls oder Schritte. Um dann alle Daten zu verarbeiten, muss der oder die Abnehmwillige rechnen, dass der Kopf raucht. Ob man dabei auch Kalorien verliert? Beim Schritt unter die Dusche gelangen Sie zu der Entscheidung, mit der Seife auch die Sorgen abzuspülen – und dann erstmal tüchtig zu frühstücken.
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Keine Faxen (15. April 2010)
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Das gute alte Faxgerät hat den Geist aufgegeben, ein neues musste her. Natürlich eines mit Zukunft im Gepäck, vier auf einen Streich, faxen, drucken, scannen, kopieren. Die Überraschung: das Faxen geht rasch, aber man muss minutenlang stehen bleiben, mehrmaliges Piepsen abwarten, das Display studieren, als wollte das Gerät sagen: erst mal abkühlen. Das Vorgängermodell brauchte nur Sekunden dazu. Glückliche Zeiten, lange her. Vor Überraschungen ist man nicht mehr sicher, das neue Gerät schaltet sich wie von selbst ein, wählt irgendwelche Rufnummern, kopiert und druckt, was es will. Der Fachmann war da, ratlos. Was nun? Vielleicht doch zurück zu Goethes Stehpult?
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Mann kokett (07. April 2010)
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Nein, nicht alle sind so – aber einige schon. Und das reicht. Die Rede ist von Männern und deren Sätze wie „Ich bin nicht gut genug für dich“ oder „Der andere ist besser als ich“. Damit stellt sich der Mann als armer Sünder vor die Frauen, die sich dann schuldig fühlen sollen. Dabei sind seine angeblich reuevollen Bekenntnisse nichts anders als ein stolzes Klopfen an die männliche Brust, nach dem Jammern stolziert er frohen Mutes davon im Bewusstsein, alles richtig gemacht zu haben. Wie gesagt: Nicht alle sind so – was für ein Glück, denn Koketterie, sonst als Alleinstellungsmerkmal der Frauen definiert, ist nicht immer vorteilhaft.
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Betagter Traummann (30. März 2010)
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Er ist perfekt: ein Gentleman alter Schule, er weiß sich zu bewegen, ist immer gut angezogen und verliert weder Ruhe noch das vollendete Aussehen, wenn er, natürlich ohne Waffe, einen Angreifer niederstreckt – nicht ohne vorher „pardon“ zu sagen. In seiner gediegenen Wohnung speist er Kaviar und nippt eisgekühlten Champagner. Er verliebt sich schnell, ist auch seiner bildschönen Partnerin Emma zugetan, macht sich aber niemals zum Narren. Er hilft Frauen in den Mantel, öffnet ihnen die Türen und lässt sie zuerst ins Auto steigen. Ich sagte ja: perfekt. Steed heißt der Herr, John Steed. Und ist der Titelheld der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“. Wundern Sie sich also, wenn Frauen wie ich derzeit täglich die Wiederholungen dieser Serie auf Arte verfolgen? Einer Freundin habe sich schon zu diesem Traummann geraten. Aber sie hat sich im Internet schlau gemacht und ablehnend erklärt: „Er sieht zwar nicht so aus, aber ist immerhin 90 Jahre alt.“
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Jungbrunnen (21. Februar 2010)
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Die Kosmetik macht derzeit eine Neuerung durch. Zu merken an den „neuen“ Angeboten und neuen „Fachleuten“ aus aller Herren Länder, um ihre Wundermittel anzupreisen. In Fläschchen und Dosen, die anscheinend dem vorvorigen Jahrhundert entstammen. Im Fernsehen verkündet so mancher Star, welch verblüffende Wirkung die Wunderwässerchen und -cremes haben. Zwei Wochen anwenden, und der Kunde sieht mindestens genauso gut aus wie der Promi. Das will uns die Werbung vermitteln. Das geht aber noch besser, deshalb hier der Vorschlag für die perfekte Werbung. Dann will der Zuseher nicht mehr aussehen wie Julia Roberts, sondern wie Tante Margret. Neulich auf Besuch bei Tante Margret: Die Haustür öffnet ein Baby. „Wer bist du denn?“, fragt der Besuch verdutzt. „Ich bin Tante Margret“, sagt das clevere Baby, „und ich benutze Oswaldos Jungbrunnenkosmetik“. Da wäre selbst Werbeikone Verona neidisch.
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Schlau hungern (21. Januar 2010)
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Eigentlich müsse es zu Kriegszeiten und Hungersnöten die gescheitesten Menschen gegeben haben. Denn ein Schweizer Institut hat herausgefunden, dass Hunger schlau macht, denn je länger nichts gegessen wird, desto denkbereiter ist das Gehirn. Darüber freut sich natürlich der Kopf, denn er will nicht nur für Mütze und Brille da sein. Er fängt nun an zu denken: Das Schweizer Institut verkündet, dass Geist und Körper Fastenperioden brauchen, um fit zu bleiben. Darum fasten wir gern, ohne auf eine Notsituation zu hoffen. Die Großmutter stellte mir in Kindertagen einen Berg von Broten auf den Tisch und sagte: „Iss schön, denn ein leerer Magen macht dumm.“ Also, was denn? Dumm oder schlau? Nun, Omas können auch mal irren, genau so wie manches Institut. Ist der Hunger Dauergast, dann sollten wir helfen. Ansonsten genießen wir lieber die oft fragwürdigen Kochshows, ohne uns daran zu beteiligen und hungern uns schlau. Ob es etwas hilft? Warten wir's ab.
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Narr und Chefin (20. Januar 2010)
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Obwohl sonst durchaus vernünftig, will unser Freund Wilfried als Hofnarr zum Fasching gehen. Na ja, immerhin hielten sich Staatsoberhäupter bereits im Mittelalter ihre Hofnarren, die mit viel Humor und Intelligenz ausgestattet waren und den Herrschern, eingebettet in Narretei, die Wahrheit sagten, die diese sonst nicht erfuhren. „Zum Hofnarren gehört Talent, beim König genügt Abstammung“, begründete Wilfried seine Kostümwahl. Igendwie hat er ja Recht. Dennoch könnte es reizvoll sein, nun als Kaiserin Sissi oder Katharina die Große zum Fasching zu gehen – und sei es nur, um einen Abend lang Wilfrieds Chefin zu sein.
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Schluckauf (16. Januar 2010)
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Schluckauf heißt es hochdeutsch, meine Freundin aus München sagt lieber „ich habe Schnackerl“. Jeden erwischt es einmal, aber nicht immer in einem Moment, den man sich für solche Unannehmlichkeiten wünscht. Ein Bekannter ist Trompeter, er sollte vom Turm aus blasen, Bürger und Touristen mit seinem Solo erfreuen. Keine Chance, das Schnackerl war stärker. Da wird die Minute zur Unendlichkeit. Für den Sänger auf der Bühne ist das nicht viel besser, wohl dem, der sich in einem großen Chor verstecken kann. Oder beim Date, das einst Rendezvous hieß: Küssen und hicksen passen nun mal nicht zusammen. Und die besten Rezepte dagegen helfen nur dem, der dran glaubt. Auch in größter Not. Wenn man vielleicht einmal im Leben vor dem Traualtar steht und sich beim Ja-Wort verschluckt, eine Peinlichkeit, die auch noch falsch ausgelegt werden könnte.
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Wau-wau statt Helau (14. Januar 2010)
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Es ist Fasnet, man sieht’s; auch an den Vierbeinern. Die tragen manchmal Kostüme, die jedem Faschingsball zur Ehre gereichen würden. Da geht der Pekinese als „König der Hunde“ mit Krönchen, der Dackel kommt als Hot-Dog mit einer Extraportion Senf auf dem Buckel dahergewackelt, der schwarze Pudel als Pirat und dicke Mops als gefährlicher Löwe oder Dracula. Dabei können Hunde das närrische Treiben doch nicht so recht leiden. Es ist ihnen zu laut: zu viele Menschen, zu viel Geschrei, Geknalle und Musik und zu viele wild um sich geworfene Bonbons. Schnitzel oder zumindest Knochen würden sicher besser ankommen. Die Vierbeiner schauen uns mit ernsten oder verängstigten Augen an und denken wohl: „Die Menschen sind schwer zu begreifen.“ Die Hunde würde es närrisch freuen, wenn sie ganz ohne Kostüm in den Schnee oder auf die Wiese springen könnten. Mit wau-wau statt Helau.
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Die Preisfrage (23. Dezember 2009)
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Oft schon wurde das Fernsehen geschmäht, seine Sendungen für unsinnig erklärt. Doch den Zuschauer für noch dümmer zu verkaufen, als es oft vor Werbepausen der Fall ist, ist wirklich schwer. Gemeint sind die Gewinnspiele – mit Fragen wie letztens bei „Bauer sucht Frau“: Was legt eine Henne, Eier oder Karten? Oder, andere Sendung, aber genauso dämlich: Wenn Sie Gäste haben, was servieren Sie dann, einen Volksauflauf oder einen Kartoffelauflauf? Also zerbrechen wir Fernsehzuschauer uns den Kopf ob der brutal schweren Fragen. Und wenn wir dann das Geld gewonnen haben, laden wir Gäste ein. Wenn einer fragt: Trinkt man auf Partys eigentlich Wein oder Zyankali?, dann wissen wir hoffentlich die richtige Antwort. Schwer ist sie ja nicht, vorausgesetzt, man hat sehr viel Fernsehen geschaut.
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Eins, zwei, drei (15. Dezember 2009)
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Schlechte Laune, Stress, Lustlosigkeit – da hilft Walzertanzen, das haben jetzt Wissenschaftler herausgefunden. Obgleich Italiener, raten sie zur österreichischen Musik – und zwar bei jeder Gelegenheit. Wenn man am späten Abend noch zum Einkauf in den Supermarkt hetzt, solle man sich erst mal – mindestens zehn Minuten lang – im Dreivierteltakt wiegen. Ebenso auf dem Gehweg, wenn man gerade verdrießt ist. Die Walzerrunden, so versprechen die Forscher, kurbeln das Herz-Kreislauf-System an und heben damit Wohlbefinden und Stimmung. Mag allerdings sein, dass die Umstehenden sich an den Kopf tippen. Zudem braucht man zum Walzertanzen einen Partner. Und ob der einverstanden ist, durch den Supermarkt zu tanzen? Allein schon beim Gedanken daran muss man schmunzeln. Und das soll ja auch schon Stimmung und Gesundheit fördern.
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Die Extreme (27. November 2009)
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Sie behalten, was ihnen in die Finger kommt, und geben nichts davon mehr ab, aber auch gar nichts. Bei solchen Sammlern, gleich ob weiblichen oder männlichen Geschlechts, türmt sich eine Mischung aus Trödel und Wichtigem irgendwann bis zur Decke, und das in allen Zimmern. Gegenspieler oder, wenn der Leidensdruck groß genug ist, Therapeuten, sind dann die Auf- oder Ausräumer. sie schicken die Sammler weg und räumen die Wohnung frei – komplett. Bei dieser Rigoros-Hilfe fliegt alles raus, ob Ramsch oder die Erinnerungen eines Lebens. Die Sammler haben dann Freiraum. Ob, um ihr Leben zu ändern oder einfach um neu anzufangen, bleibt ihnen überlassen. Am besten ist es doch, man findet von vorneherein einen Mittelweg zwischen Sammeln und Ausräumen.
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Lieblingswort (26. November 2009)
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Eines Tages fällt es auf: Ein bestimmtes Wort wird zur Zeit oft gebraucht. In den Medien ist es zu hören und zu lesen, für viele Begriffe wird es verwendet, um die Sache bildhaft zu machen. Und passt sozusagen fast immer. So mancher verliebt sich in das Wort, das er bislang gar nicht so richtig beachtet hat. Es wird vertraut - das Wort - obwohl viel Gebrauchtes und leichtsinnig Dahingesagtes eigentlich nicht besonders beliebt ist. Und wie heißt das Wort? Ganz einfach: „Vielfalt“. Bei der Erforschung der Bedeutung wird jedoch kein Sinn gefunden. Als vielfältig wird schlichtweg alles bezeichnet. Man könnte auch „abwechslungsreich“ sagen, darunter kann man sich vielleicht noch mehr vorstellen. Denn was heißt „Vielfalt“? Eine viel vorhandene „Falt“, was ist das bitte schön? Kommt es vielleicht von „Falten“ und meint etwas, das viel zusammengelegt, „gefaltet“ wurde? „Einfalt“ gibt es auch, aber das bedeutet etwas ganz anderes. Man könnte es auch gewisse „Naivität“ nennen. Gibt das womöglich die Erklärung: In der Vielfalt des menschlichen Geschlechts ist der Mensch mit Einfalt oft vertreten. Wie dem auch sei: Das Grübeln darüber macht müde und schläfrig, was tiefen und festen Schlaf zur Folge hat. So ist eben auch etwas Nützliches an sich zu finden - in der Vielfalt des Lebens.
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Gleichberechtigt? (25. November 2009)
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Wir ahnten ja schon immer, dass bis zur Gleichberechtigung noch ein Stück fehlt. Nun wissen wir’s wieder ganz genau, am Beispiel einer Partnerschaft mit großem Altersunterschied. Bindet sich ein Senior an eine um Jahrzehnte jüngere Frau, so wird ihm das von der Umgebung als Verjüngung gegönnt. Von der mutigen Braut ist seltener die Rede. Nun haben Wissenschaftler auch noch herausgefunden, was Frauen mit jüngeren Partnern passiert: Ist der Mann nur sechs bis neun Jahre jünger, steige ihr Sterblichkeitsrisiko stressbedingt um 20 Prozent. Ist das nun Gleichberechtigung?
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Selbsterklärer (20. November 2009)
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Vermutlich, nein, fast sicher, haben Sie auch so eine(n) im Bekanntenkreis, der oder die zur Erklärung der Welt erst mal sich selbst erklärt. „Ich bin jemand, der . . .“ sind die Standardeinstiege dieser Leute in ausschweifende Erklärungen, die sich im weiteren Fortgang mit dem Fernsehkrimi von gestern Abend oder dem Aufbau des Universums befassen können. Die Selbsterklärer müssen vor allen Aussagen über Gott und die Welt stets erst mal sich selbst darlegen. Das könnte was mit Selbstüberschätzung und Egozentrik zu tun haben. Und die Aussagen, die sich an die Selbsterklärung anschließen, sind ihnen meist gar nicht mehr so wichtig. Bleibt die Frage, ob der Gesamtumfang des Gesagten für ihre Gesprächspartner so wichtig ist, wie sie selbst sich nehmen.
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Knoblauch-Liebe (17. November 2009)
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Wer Knoblauch liebt, der ist ihm auf immer verfallen. So geht es auch unserer Freundin Isabel. Eigentlich will sie die Knolle nur genießen, wenn sie an diesem und dem nächsten Tag nichts vorhat. Aber dann wird sie doch immer wieder schwach, denkt sich: So schlimm kann es nicht werden. Aber es kommt so schlimm, denn dann tritt die zweite Grundweisheit in Kraft: Knoblauch macht einsam. Ein Mann, der wohl weitergehende Absichten hatte, holte Isabel mal zum Konzert ab, doch nach diesem geschmackvollen Beisammensein waren die Absichten ad acta gelegt. Schließlich fand Isabel aber doch den Partner fürs Leben und der liebt sie sehr. Als ihr Begleiter mal nicht dabei war, fragten wir sie, wie das geklappt hat. Sie zuckte nur die Achseln: „Er hat keinen Geruchssinn – aber sonst ist er gesund.“ Unter diesen Bedingungen können sich auch Knoblauch und Liebe vertragen.
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Mit Citrus-Duft (12. November 2009)
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Ich spreche hier sicher für viele: Oft genug haben wir uns beschwert, wenn ein spannender Film auf der Mattscheibe jäh unterbrochen wurde und wir statt der dramatischen Verfolgungsjagd oder der lang erwarteten Liebesrerklärung Mutter mit Sohn auf der Toilette sehen und sie ihm erklärt, welchen Citrus-Duft er versprühen sollte, damit das Geschäft zum Vergnügen wird. Eine Frau, früher sehr dem Blubb-Spinat zugetan, redet mit ihrem T-Shirt und bevor der Kommissar hoffentlich endlich den Täter fasst, muss ein Komiker uns noch die Vorzüge „seines“ Elektronikladens zuschreien – könnte der Kommissar nicht den verhaften? Dann wäre die Unterbrechung wenigstens für etwas gut. Aber selbst ein verkürzter Werbeteil löst das Problem nicht: Der darin versprühte Citrus-Toilettenduft legt sich unweigerlich über das folgende Filmstück. Und wer möchte schon zum Beispiel das Finale von „Casablanca“ mit frischem Citrus-Duft in der Nase sehen?
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Keine Sorge (09. November 2009)
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Sie gehen morgens ins Bad, noch etwas verschlafen, wollen unter die Dusche, aber da entdecken Sie eine kräftige Spinne. Das hat gerade noch gefehlt. Aber was tun? Die Spinne auf die Kehrschaufel zu bewegen, um sie damit ins Freie befördern zu können, scheitert an den raschen Reaktionen des Tiers. Bis einige Wassertropfen nachhelfen, die Spinne ist auf der Schaufel, gut und lebendig wird sie aus dem Fenster befördert, erreicht das Freie. Endlich ist die Dusche frei. So weit wäre alles in Ordnung, würde jetzt nicht der alte Spruch „Spinne am Morgen, Kummer und Sorgen“ durch den Kopf gehen. Ein schlechtes Omen für den Tag? Keineswegs! Das Sprichwort hat nichts mit dem Tier zu tun, sondern allein mit der Tätigkeit des Spinnens. Alles nochmals gut gegangen.
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Lächeln am Tatort (23. Oktober 2009)
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Verbrechen sind zwar schlimm, das wissen wir. Aber sind auch die Morde und anderen Untaten in den Krimis im deutschen Fernsehen so schrecklich, dass alle Kommissare griesgrämig und übellaunig dem Täter folgen müssen? Meist haben sie auch noch private Probleme übelster Art, vergessen darüber oft sogar ihre Spurensuche. Selbst die oft gerühmte Lena Odenthal hatte bei ihrem Dienstjubiläum Unmutsfalten und ein finstres Gesicht, als wäre ihr die Pension gestrichen worden. Sogar ihre Katze suchte angesichts solch deprimierender Stimmung lieber das Weite. Nun wollen wir auf diesen Sendeplätzen keine Comedy-Show sehen. Und wir gestehen auch zu, dass die Verbrecherhatz ein verdammt schwerer Beruf ist. Aber wäre der nicht mit einem gelegentlichen Lächeln auf den Lippen ein wenig leichter? Zumindest wenn sie den Täter ertappt haben.
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Typisch deutsch (22. Oktober 2009)
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Was ist eigentlich: „Typisch deutsch?“ Ausländische Besucher und staatliche Nachbarn versuchen uns fertige Urteile über die Ohren zu stülpen: Humorlosigkeit, Gartenzwerge, weiße Socken in Sandalen. Auch hingebungsvolle Dackelliebe, das gemütlich genossene „Musikantenstadel“ sowie Jammern und Politikunfreundlichkeit als Kennzeichen unseres Stammes haben sie angeblich erforscht. Ohne Verein - meinen sie - gehe es nicht bei uns Deutschen. Auch Kurt Tucholsky spöttelte, als Vorzeige-deutscher getarnt: „In meinen Verein bin ich hineingetreten . . .“ Tatsachen oder Klischees? Wie damals, als behauptet wurde: Alle Deutschen äßen gerne Sauerkraut?! Unlängst hat man sich dazu entschlossen, den typischen Deutschen zu suchen. Hatte Größe, Haarfarbe, Gewicht bereits im Kopf. Hielt die Leute auf der Straße an, betrachtete und maß gewissenhaft nach. Und irgendwann stimmte alles. Die typische Deutsche war gefunden und lächelte in die Kameras. Doch beim Nachfragen stellte sich heraus: Sie war eine Ungarin.
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Ansteckend (17. Oktober 2009)
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Ausgerechnet in Zeiten des Gesundheitsfonds traten die zwei jungen Frauen vor die Fernsehkameras und erklärten, sie litten an einer Knopfallergie „Es ist, als fassten wir in einen Lokus - iiih - Knöpfe sind das Widerlichste, was es gibt. . .“ Wir wollen das Zitat hier abbrechen und kommen gleich zum Fazit der jungen Damen: Die Krankenkasse muss bezahlen, zumindest die Umrüstung der Garderobe auf knopflose Modelle. Fachleute zweifelten in der anschließenden Gesprächsrunde zwar an der Erkrankung, das klinge doch zu fröhlich ausgedacht. Doch die Forderung nach Kostenerstattung blieb. Die Krankheit könnte sogar durchaus ansteckend wirken. Viele, vor allem Männer, könnten bald deutliche Symptome eine Allergie gegen Hausarbeit geltend machen. Wenn, wie oft in solchen Fällen, die Frauen in die Bresche springen, bleibt zumindest der Gesundheitsfonds unbelastet. In die gleiche Erkrankungs-Kategorie gehört eine Allergie gegen Intelligenz. Scheint auch weiter verbreitet zu sein, als man gemeinhin denkt.
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Walzer mit Gulasch (16. Oktober 2009)
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Es fing so harmlos ab: Vor einigen Jahren ließ man die Leute kochen, und das machten sie ganz gut. Sie schrieben sogar Bücher darüber. Gekocht wurde überall. Im Fernsehen und am heimischen Herd und zwar höchst künstlerisch. Es bildeten sich Gruppen, aus denen wahre Kochgenies hervorgingen, zum Schluss einer dargebotenen Mahlzeit wurde ein Kräuterzweiglein auf den Teller gelegt, und der sinnige Spruch orakelt: „Das Auge isst mit“. Nun aber reicht es nicht mehr nur noch zu kochen. Es wird – getanzt. Alle versuchen sich im Tanz. Ob Moderatoren, Berichterstatter, Schauspieler, Schlagersänger, groß und klein, dick und dünn, Tanzen ist ‘in’ – neben dem Kochen. Das geht so: Schnitzel im Walzertakt braten, Rumba mit Gulasch garnieren, einen Tango mit Spiegelei darbieten. Zum Schluss sollte man den dampfenden Teller hoch halten und auf einem Bein balancierend verkünden: „Guten Appetit. Das Auge tanzt mit.“
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Schweizer Humor (14. Oktober 2009)
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Wer behauptet noch, die Eidgenossen hätten keinen Humor? Nur weil sie etwas langsam sein sollen, haben sie dennoch keine dauer-schlechte Laune. Immerhin hat doch ein Schweizer seinem Sohn mit einer Armbrust den Apfel vom Kopf geschossen – und nur ein deutscher Dichter hat daraus ein Drama gemacht. Nun kam wieder so eine Idee aus einem Schweizerhirn, die auch bis zum Ausmaß einer Schiller’schen Tragödie hochdiskutiert werden könnte, die aber ebenso als netter Blödsinn durchgehen könnte: Ein paar Eidgenossen haben dazu aufgerufen, die Alpen zu putzen – und viele Bürger kamen, mit Putzlappen, Eimern, Reinigungsmitteln. Ob damit die Alpen wirklich von Schmutz und Schadstoffen befreit wurden, darf bezweifelt werden. Aber geschadet hat’s ihnen wohl auch nicht mehr als dem jungen Tell der Armbrustschuss.
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Niemals in New York (10. Oktober 2009)
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Wer behauptet, das Rundfunkprogramm sei nicht abwechslungsreich, der liegt falsch. Als Autofahrer schaltet man ein in Erwartung entspannender Musik. Doch kaum sind die ersten Takte von Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“ durch, unterbricht die Moderatorin: „Eine Warnung an die Autofahrer: auf der Bundesstraße XY zwischen A-Dorf und B-Hausen kommt Ihnen ein Falschfahrer entgegen. Fahren Sie äußerst rechts und überholen Sie nicht.“ Udo Jürgens darf dann wieder einen Satz seines Fernwehs verkünden, bevor die Moderatorin sich erneut vordrängt: Auf der Bundesstraße am Rhein liege ein Schrank, im Hohenlohischen sei eine Herde Rinder unterwegs. Auch diverse Spanngurte wurden verloren. So wechseln sich Sänger und Moderatorin in immer rascherer Folge ab, sein Lied mutiert zu einem Zehn-Minuten-Song. Wahrscheinlich war Udo Jürgens noch niemals in New York, weil er mit dem Auto über deutsche Straßen zum Flughafen wollte.
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Reiz des Herbstes (09. Oktober 2009)
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Der Herbst hat seinen Reiz, da gibt es keinen Zweifel. Die Färbung der Blätter, die aus grünen Landschaften eine bunte Umwelt schafft, sanfte Nebel am Morgen, zarte Spinnweben, Altweibersommer zwischen den Bäumen und im Beet die letzten duftenden Rosen. Eine verzauberte Welt. Doch: Nicht alles, was der Herbst bringt, ist traumhaft schön. Nasses Laub und glatte Straßen sind für den Autofahrer gefährlich. Neu allerdings war die Nachricht eines gärtnerbegeisterten Blumenfreundes, der mit einer schlimm aussehenden Augenentzündung auftauchte. Der Herbst sei daran schuld, erklärte er, er habe nur gegärtnert. Blumen abgeschnitten, den Garten auf den Winter vorbereitet, plötzlich streikten die Augen, wurden rot, schwollen an und schmerzten. „Allergie“, sagte der Arzt, verschrieb Tropfen, der Schmerz besserte sich. Der Herbst hat eben viele Reize, selbst Naturliebhaber leiden zuweilen darunter. Doch nun Schluss mit scharfer Kritik an unerfreulich zeitbedingten Reizen. Lassen wir den Herbst nicht dafür büßen, dass es bald Winter wird.
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Wieder Welle (14. September 2009)
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Alles kommt wieder. Das gilt nicht nur für die Marlene-Dietrich-Hosen und die Miniröcke der Siebziger, sondern auch fürs Make-Up und die Frisuren. Zwar hat ein bekannter Promi-Haarkünstler geschworen, sie nie, nie mehr zu fabrizieren, aber der Wunsch der Weiblichkeit könnte ihn überrollen: Die Dauerwelle kommt wieder. Frau lässt das Haar locker fallen, bauscht es auf, kaschiert, toupiert, sprayt – und sieht jünger aus. Lustige Zeiten kommen auf uns zu, nicht nur beim heimischen Stylen, sondern auch bei der Diskussion mit dem Friseur.
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Überlegen? (10. September 2009)
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Für Menschen gibt es immer mehr Wettbewerbe rund um die perfekte Schönheit. Mal ist die tadellose Figur gefragt, ein andermal die modische Vollkommenheit. In einer anderen Konkurrenz siegt die perfekt glatte Haut, die dafür natürlich mit Mitteln gepflegt wird, die uns zum Essen viel zu teuer wären. Da fällt ein Vergleichstest aus dem Rahmen: Gesucht wird der Häßlichste, allerdings unter den Hunden. Da stolzieren Vierbeiner mit riesigen Ohren, mit Schweineschnauze, mit Schlitzaugen und Warzengesicht, mit fehlendem Schwanz und krummen Beinen über den Laufsteg und stellen sich selbstbewußt dem Votum der Jury. Aber, sie sind sanft und freundlich, spielen mit Kindern und wollen gestreichelt werden, wie jeder schönere Hund auch. Und während der Besitzer des Siegers stolz die Ehrentrophäe entgegennimmt, freut sich das Tier an der Aufmerksamkeit, an Liebkosungen und Streicheleinheiten. Da stellt sich die Frage: Sind uns diese Vierbeiner, was den Mut zur Häßlichkeit angeht, überlegen?
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Warum? (09. September 2009)
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Die Frage nach dem „Warum“ ist aktueller denn je. Immer nachhaken, kein Interview ohne „Warum“ als Auftakt. Da sagte der Befragte jüngst im Fernsehen ganz klar: „Ich lasse mich nicht gern in Raufereien verwickeln.“ Auf die Warum-Frage des Reporters schob er nach: „Ich will nicht so gern niedergeschlagen werden.“ Aber als dann der Interviewer noch ein „Warum“ nachschob, glitt die Befragung ins Alberne ab, erinnerte an die Bahn-Werbung mit den nervenden Kindern. Die Frage stellt sich doch sehr, ob mehr „Warums“ wirklich einen stetigen Erkenntniszuwachs bringen Manchmal sind sie eher ein Zeichen dafür, dass der Interviewer die bisherigen Antworten nicht verstanden hat. Das ist dann doch eine neue Erkenntnis. Bleibt nur noch eine Frage zu beantworten, die an den Frager: Warum?
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Brücken bauen (13. August 2009)
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Ein Schock, als sich Nichte Susanne als Mitglied im Bridge-Club outete. Ist das nicht etwas für ältere Damen, Susanne ist gerade mal 32. Einige abfällige, ironische Bemerkungen kamen nicht an. Sie meint, Bridge sei nicht nur ein anspruchsvolles Kartenspiel, sondern auch ein Sport, der Menschen zusammenbringe, vom Alter völlig unabhängig. Wir machten uns kundig, erfuhren, dass Bridge in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts besonders beliebt war, dass es sich jetzt wieder nach oben arbeitet, nicht nur in England, sondern auch hier findet es immer mehr Anhänger, männliche und weibliche. Bridge heißt Brücke. Versuchen wir doch, eine zu bauen, von Mensch zu Mensch. Auch wenn wir das angeblich so sportliche Kartenspiel gar nicht beherrschen.
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Haarige Zeiten (11. August 2009)
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So lange ist das noch gar nicht her, dass die Kochmütze am Herd Standard war. Kein Haar konnte sich selbstständig machen und in die Suppe fallen, oder in die Soße. Mit dem Haar an falscher Stelle schmelzen alle Pluspunkte dahin. Die Erinnerung an das schöne Dinner sind alles andere als schön – ein einziges Haar genügt. Mützen und Kappen trägt man schon lange nicht mehr, wenn sie eigentlich von Vorteil wären. Beim Schwimmen oder Kochen. Stattdessen werden sie bei Interviews, beim Schlagersingen oder stets dort getragen, wo sie nicht hingehören. Aber deshalb lassen wir uns das Schnitzel auf keinen Fall vermiesen.
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Film ab (07. August 2009)
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In früheren Jahren, die Jüngeren unter uns werden es nicht mehr wissen, war das Autokino eine Legende. Man konnte kuscheln, seinen Liebsten umarmen, sich an ihm wärmen, falls das nötig war. Es dürften sogar Kinder gezeugt worden sein, während draußen Doris Day Cary Grant zum wiederholten Mal in die Schranken wies. Aber oft war es auch zweitrangig, welcher Film eigentlich lief. Heute dagegen, heute hat man die Filme „on demand“, auf Verlangen. Man kann sie mit einem Klick runterladen, sogar bis aufs Handy (aber will man wirklich „Herr der Ringe“ auf dem Handy gucken?), kann sie zuhause in perfekter Qualität über den PC-Schirm flimmern lassen, vor- und zurückspringen, bei Bedarf auch für den Gang zum Klo anhalten. Die Technik ist wirklich in atemberaubendem Tempo fortgeschritten. Wenn man sich die neuesten Möglichkeiten überlegt – dann könnte das (Auto)Kino durchaus eine neue Blüte erleben.
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Gute Reise (05. August 2009)
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Die Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub nimmt immer größere Dimensionen an. Lange war zuvor schon über die Gestaltung beraten worden: See oder Gebirge, Sonne im Süden oder kühle Schönheit im Norden, erholsame Ruhe ganztags oder turbulente Aktion bis in die Morgenstunden – all das hat das Paar schließlich entschieden. Sie hat natürlich den neuen Bikini dabei und möchte damit glänzen, doch das bleibt von ihm leider unbemerkt. Auch der treue (?) Begleiter hat ein neues Outfit eingepackt, das ihr zwar auffällt, aber nicht angenehm: viel zu viel Bauch für das enge T-Shirt, viel zu wenig Hose für den stabilen Unterbau, von den Socken in den Sandalen nicht zu reden. Überhaupt fallen ihr Eigenarten des Partners auf, für deren Beachtung sie im Alltag gar keine Zeit fand. Umgekehrt geht es ihm genauso. Urlaub ist gnadenlos. Viele Paare lernen sich da erst richtig kennen und zalhreiche Verbindungen gehen in der „schönsten Zeit des Jahres“ in die Brüche, statt sich zu festigen. Trotz allem wünschen wir ganz optimistisch gute Reise – wohin auch immer und wie auch immer.
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Vom Fußboden (28.Juli 2009)
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Es sollte uns schon als Kind imponieren, wenn man uns versicherte: „Bei denen kannst Du vom Fußboden essen.“ Das sollte uns beweisen, wie tiptop alles war bei den Lehmanns, Hägeles, oder wie die Fußbodenbesitzer auch hießen. Meist wollte man uns damit andeuten, dass es in unserem Kinderzimmer anders aussah. Aber man sollte sich das mal genauer ausmalen: Wie diese Leute ihre Schnitzel mit Pommes frites aufs Parkett legen, schön dicke Soße darüber gießen (die Kinder natürlich Ketchup), vielleicht auch noch eine Portion Salat dazu. Selbstverständlich könnte man in solch sauberer Umgebung den Wein auch ohne Glas genießen, falls er nicht im Teppich versickert. Aber mal ehrlich, da stellt sich die Frage: Will man wirklich vom Fußboden essen? Und ist der Boden nach den ersten Gängen wirklich noch ein Schmuckstück? Dann doch lieber Tisch und Teller – und mein Kinderzimmer konnte auch so bleiben, wie es war.
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Un-ordentlich (21.Juli 2009)
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Wie viel Ordnung braucht der Mensch? Darüber unterhielt sich jüngst eine bunt gemischte Gruppe in der SWR-Talkshow „Nachtcafé“. Ebenso bunt gemischt waren die Positionen: Vom selbst ernannten Ordnungshüter, der Falschparker anzeigt, über den exzentrischen Modemacher mit Sauberkeitswahn bis zur singenden Messiefrau, die meinte, man könne halt nicht hinter jedem Staubkorn her sein. Mit Horror dachte ich dabei an eigene frühe Ordnungs-Erinnerungen. Da lagen Taschentücher steril und unnahbar gestapelt im Schrank, eine Etage darüber ebenso die Bettwäsche, die Fußböden und jedes Regalbrett waren perfekt gewienert. Wer wollte da nicht entfliehen? Vieles hat sich geändert, ist leichter, praktischer geworden. Die meisten Frauen sind berufstätig, Männern ist es eh „wurscht“. Die penibel gefaltete Wäsche nutzt niemandem, Ordnung im Kopf ist wichtig, da war sich auch die Fernseh-Runde einig. Wenn einer als Messie in seinem Chaos noch durchblickt und zufrieden ist, dann soll es so sein. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte – aber auch bei der Ordnung nicht exakt da, wo der Knick im perfekten Sofakissen sein sollte.
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Die Krümmung (13.Juli 2009)
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Eine Frage der Gleichberechtigung ist noch zu klären. Es geht zwar nicht ums Ganze, aber immerhin um die Gurke. Ist die krumme Gurke genauso schmackhaft, also genau so viel wert wie ihre gerade Artgenossin? Offenbar nicht, zumindest beschwerte sich eine Kundin, als ihr nun ein Gärtner ein krummes Exemplar über den Marktstand reichte. „Es gibt doch auch bei den Menschen krumme Gestalten. Sind die etwa weniger wert“, fragte der Händler und die Kundin steckte die krumme Ware seufzend ein. Wieso? Vermutlich hat sie den Krümmungswinkel nicht aus ihrem Gurkensalat herausgeschmeckt. Ung ganz ehrlich: absolut perfekt gebaut war die Kundin schließlich auch nicht.
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Spatzenkonzert (2.Juli 2009)
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Manche mögen sie nicht, andere nehmen sie gar nicht wahr, es gibt immer weniger von ihnen: die Spatzen. Bei einer Bekannten immerhin gab es noch so viele, dass sie morgens das Fenster schloss, weil das Gezwitscher und Gepiepse sie nervte. Unverständlich, zum Glück dachten nicht alle wie sie. Vielleicht war die Erinnerung an die kleinen, zutraulichen Burschen ja der Grund, weshalb man die „Spätzle“ erfand. Die mag ich auch, schmecken ja lecker. Das Spatzenkonzert aber möchte ich ebenfalls nicht missen. Dafür öffne ich das Fenster höchstpersönlich, auch am frühen Morgen. Wir träumen dann von Mozarts „Kleine Nachtmusik“, gepfiffen und gepiept von Spatzen. Bleibt uns noch erhalten, ihr kleinen Gesellen. Doris Jannausch
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Gerettet ? (25.Juni 2009)
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Eine Telenovela löst die andere ab. Die Handlung bleibt meist die gleiche, nur die Personen ändern sich. Das ständig leidende Liebespaar kriegt sich am Ende (bis dahin kann es ganz schön dauern) und ihre gewaltsam getrennten Hände finden sich in ewiger Liebe. Unverzichtbar ist auch eine Intrigantin, wahlweise als heimtückische Mutter, eifersüchtige Schwester oder heuchlerische Geliebte. Aber natürlich muss dieser menschliche Störfaktor auch wieder abtreten, sonst wäre es ja keine Telenovela. Die braucht Aktion, ganz gleich welcher Art. Die Macher einer Telenovela haben sich dafür nun was ganz Originelles einfallen lassen: eine Explosion, die das ganze Quartier, in dem die Serie seither spielte, in Schutt und Asche legt. Das erlaubt den Drehubuchautoren einen völligen Neuanfang: Wer überlebt – und wer nicht (vielleicht die, die zu viel Gage forderten)? Natürlich taucht in dieser katastrophalen Situation auch ein heldenhafter Retter auf. Wen er rettet, bleibt abzuwarten. Das Publikum zumindest wird offenbar nicht vor einer weiteren langen Laufzeit gerettet.
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Die Hölle (10.Juni 2009)
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Dieser Moment ist die Hölle und Sie haben sie sicher auch schon erlebt: Ein sehr entfernter Bekannter klingelt und drängt nach dem Öffnen mit einem fröhlichen „Ich war grad in der Nähe“ in die völlig unaufgeräumte Wohnung. Deren Anblick kommentiert er dann auch noch mit „Stört mich nicht“. Oder er hat mich mit seinem Klingeln nur halb bekleidet aus dem Bad gescheucht und meint dann: „Keine Aufregung. Ich hab schon öfter nackte Frauen gesehen.“ Da lobe ich mir den Herrn, der sich im Hotelzimmer geirrt hat, im falschen Zimmer die Badtür öffnet und beim Anblick einer in der Wanne sitzenden Frau sagt: „Oh, entschuldigen Sie, mein Herr“ und die Tür wieder schließt. Das ist wirklich galant. Aber den Herrn hab ich bisher noch nicht getroffen.
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Kauderwelsch (03.Juni 2007)
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"Wenn du etwas zu sagen hast, dann sage es mit einfachen Worten, damit es jeder versteht". Das schrieb einst Schopenhauer, seines Zeichens Philosoph. Allerdings sagte er auch Vieles, das man nicht so recht verstand. Doch das hatte wohl mehr mit dem Nachdenken zu tun. Kauderwelsch war das nicht. Dieser Begriff kommt aus dem 18. Jahrhundert und bedeutet soviel wie, unverständlich sprechen, sich verworren ausdrücken. Heute tun wir es gern ein wenig auf amerikanisch. Vor allem dann , wenn wir nichts davon verstehen: "Sonne pur, blauer Himmel satt". Hinter dem Hauptwort steht das Beigefügte. Wie passend. Da gab es einmal einen Kritiker, der sich so verworren ausdrückte, dass keiner etwas verstand. "Der muss sehr intelligent sein", sagten die Leute respektvoll und ein Kind rief: "Aber das ist doch nur Kauderwelsch." Das erinnert an Andersens Märchen vom Kaiser, der gar nichts anhatte.
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Bildung bitte (05.Juli 2007)
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Bildung ist geistige Formung, sagt uns das Lexikon, ist Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil. Aha: sich selbst eine Meinung bilden statt auf die Äußerung anderer zu warten. Dafür braucht es aber auch die Fähigkeit, Mozart von Beethoven unterscheiden zu können, Rembrandt von Picasso. Vorbei die Zeit, als man sich vor Lachen auf die Schenkel schlug, wenn der Name "Goethe" fiel, vorbei die Ausrede: "Wir mussten das auswendig lernen".
Auch Lehrer erinnern sich wieder, dass es eigentlich nichts schadet, wenn man Mörike als schwäbischen Dichter identifizieren kann. Mit mehr Wissen braucht man weniger Information, um zu erkennen, dass das Leben gar nicht so uninteressant ist. Es kommt nur auf die geistige Formung an.
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Revanchefoul (08. April 2009)
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Der Abend war ja ganz nett: Der Bauch ist voll, der Kopf entsprechend leer oder nur noch von einem Hauch des genossenen Weins erfüllt. Dann, als man sich verabschieden möchte, kommt der Schock in Person der Gastgeberin mit einem Gästebuch. Nun soll man dem immer noch leeren Kopf dichterische Höchstleistungen entlocken, Marke "Hier im Hause war´s sehr schön, leider müssen wir jetzt gehn." Dass das Fleisch etwas zu fade und das Gemüse etwas zerkocht war, lässt man besser weg, obgleich diese erzwungene Bilanz den Abend in etwas anderem Licht erscheinen lässt. Aber es gibt Gedanken, die die Stimmung wieder heben: Der zum Beispiel an ein Revanchefoul - selbst einladen und vorher ein Gästebuch besorgen.
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Lecker (07. April 2009)
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Dass der Bildschirm im heimischen Wohnzimmer nicht jeden Abend dampft, ist ein Wunder. Immerhin laufen in ihm so viele Kochsendungen ab wie nie zuvor. Ob Promis oder Profis, ob Stars oder Sterneköche - immer mehr geben ihr Wissen (oder Unwissen) in der Kunst der Nahrungszubereitung weiter. Die Garzeiten sind stets aufs Programm abgestimmt. Nur verbal wird in vielen dieser Sendungen Schwerverdauliches geboten. "Das ist nicht mein Ding" ist der Standardhinweis darauf, dass der Gefragte ein Gericht nicht mag oder nicht kochen kann. Beliebt ist auch die distanzierte Beurteilung: "Da könnt´ich mich reinlegen." Wir stellen uns das lieber nicht in natura vor. Das Standard-Wort der Intensiv-TV-Köche aber ist "lecker". Lecker ist alles, was die Gäste, die Kollegen, die Konkurrenten fabrizieren. Bestenfalls der knorrige Alfons Schuhbeck weicht mal kritisch ab. Aber in den meisten Koch-Sendungen fragt man sich, ob das Bruzzeln aus den Pfannen der bessere O-Ton wäre.
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Goldene Zeiten (15.September 2008)
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Gold kehrt zurück in den Alltag, sagen Wohnmagazine. Vergoldetes Geschirr, goldene Porzellanfiguren. Und Blattgold kommt zur Dekoration neben das Steak auf den Teller. Auf die Frage der Gastgeber, ob das nun auch lecker schmecke, gibt es enttäuschte Gesichter. Eigentlich schmeckt das nach gar nichts. Kein Wunder, Gold soll ja schmücken, nicht schmecken. Ebenso wie Rosenblätter oder Gänseblümchen, die in die Vase gehören und nicht auf die Zunge. Stilecht, wer zu diesem Menü das goldene Handy aus der Handtasche zaubert. Das aber ist immer noch purer Luxus, abgeguckt von den Schönen und Reichen. Dass die deshalb nicht immer glücklicher sind, kann man täglich in den Klatschspalten lesen. Und für alle, die weder goldenes Handy noch Blattgold auf dem Teller haben, gibt es die Chance, sich goldene Gedanken zu machen. Beim Essen, beim Telefonieren. Kein Gold macht auch glücklich.
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Große Worte (14./15. April 2007)
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Wir gebrauchen sie oft und gerne, ohne zu wissen, wem wir eigentlich dafür dankbar sein müssten: Die großen Worte und Sätze, mit denen man Gefühle wecken oder Politik machen will. Wie oft sind wir aufgefordert, "die Seele baumeln" zu lassen. Das stammt aber aus Kurt Tucholskys "Schloss Gripsholm". "Alles fließt" ist eine ähnlich bekannte, tiefschürfende Feststellung, auf die hat der Grieche Heraklit schon vor Christi Geburt das Urheberrecht erworben. Mit dem Ruf "Wir sind das Volk" stürzten die Menschen in Ostdeutschland ihr Regime und die Mauer. Georg Büchner ließ das schon in "Dantons Tod" ausrufen. Man sieht: vieles Gescheite wurde bereits gesagt. Aber besser gut abkupfern als schlecht selbst formulieren. Oder hat das auch schon mal jemand gesagt?
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Beleidigt? (26. Oktober 2006)
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In jeder Familie sitzt eine Tante auf dem Sofa und nimmt übel", sagt Kurt Tucholsky. Publizistische Übertreibung? Oder doch im Kern die Wahrheit. Oft sitzt sie nämlich, die liebe Tante - und ist beleidigt. Sagt aber nicht warum. Der Gedanke schleicht sich ein: "Was haben wir falsch gemacht." Man ruft an, bittet um Aufklärung, doch es wird wortlos aufgelegt. Ein dummes Gefühl.
Manchmal erfährt man sogar von seinem "Verbrechen". Jemand fühlt sich beleidigt, obwohl man es gar nicht wollte. Er nimmt übel. Erwartet eine Entschuldigung. Und weil man eben ein friedliebender Mensch ist, sagt man "Verzeihung". Nur wofür, das weiß man nicht. Der andere ist zufrieden und gibt - hoffentlich - Ruhe. So etwas passiert eben - harmlosen Bürgern ebenso wie dem Papst.

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Der schönste Tag (20. September 2006)
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Er klingt wie aus dem vorigen Jahrhundert, der Satz: der schönste Tag im Leben einer Frau. Gemeint ist damit der Hochzeitstag, an dem man sich in keusches Weiß hüllt, möglichst eine Hochzeitskutsche bestellt und das dann "Romantik pur" nennt. Der Mann trägt Schwarz und macht meist ein ernstes Gesicht. Wie bitte - der schönste Tag??? Er sollte doch lediglich für eine lebenslange Gemeinschaft stehen, die dann aber leider schon bald beendet ist: Man geht auseinander. "35 Jahre sind wir jetzt verheiratet", gesteht das Ehepaar Lentz fast verschämt. "Damals sind wir in einer Arbeitspause zum Standesamt gegangen, ohne Blumen und Ringe, es war kein besonderer Tag, hat aber mehr als ein halbes Leben gehalten." Sie schauen sich verliebt in die Augen und pfeifen auf den "schönsten Tag im Leben einer Frau", Das schönste Leben für beide - das ist es.
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Hübsche Hexen (3. Januar 2006)
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Hexen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren: Noch vor wenigen Jahren wurden sie in der einschlägigen Märchenliteratur als hässlich mit langer Nase und großer Warze drauf gekennzeichnet, meist ausgestattet mit Kröten oder ähnlichem Getier. Inzwischen werden sogar Hänsel und Gretel in einer Neuverfilmung von einer durchaus gut aussehenden Dame verführt. In den Telenovelas vergiften ältere Semester, die dem Hexen-Fach zugeordnet werden, zwar noch ihre Rivalinnen und betrügen ihre Männer - aber selbst sie tun das bereits mit reifer Schönheit. Die einzigen, die das klassisch-hässliche Hexen-Bild noch hochhalten und sich dafür viel Mühe geben, sind die Faschingshexen, deren Hochsaison nun wieder startet. Aber auch bei ihnen könnte ein Blick hinter die Kulissen eines Besseren belehren.
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Schon zu spät? (26. September 2003)
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Eine Bildungsgesellschaft sollen wir wieder werden. Alarmierend war die Pisa-Studie. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Erwachsenen nicht viel schlauer sind als die Kinder. Es gibt doch tatsächlich Leute, die Ringelnatz für eine Art Regenwurm halten und Canaletto für ein kleines Kanalgitter. Das stellte unlängst ein bekümmerter Kultursuchender fest. Wenn es weiter abwärts geht, meinte er, dann sind wir eines Tages eine Nation von lauter Kaspar Hausern. Kaspar Hauser, fragte einer, wer soll das sein? Aha, es ist also schon so weit.